Südniedersachsen. Wie ist es um die Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) in Südniedersachsen bestellt – und wie kann ein regionales KKW-Netzwerk dazu beitragen, die Branche langfristig zu stärken? Darüber diskutierten VertreterInnen aus Kunst, Kultur und Politik am Donnerstag beim vierten und abschließenden Teil der 2. Südniedersachsenkonferenz vor rund 100 ZuschauerInnen.
Mit beinahe 100.000 Beschäftigten bot die KKW 2018 mehr Menschen Arbeit als etwa der Maschinenbau, führte Anne Bleimeister (Niedersächsisches Wirtschaftsministerium) aus. In Südniedersachsen setzte die Branche in dem Zeitraum fast 400 Millionen Euro um – landesweit waren es 8,7 Milliarden. Für 2020 erwartet Bleimeister Umsatzrückgänge von bis zu 24 Prozent. Während die ebenfalls zur KKW zählende Software- und Games-Branche sowie der Pressemarkt gut durch die Corona-Pandemie kamen, waren Kunst- und Kulturschaffende stark von der Krise betroffen.
So berichtete Christiane Eiben, dass ihre Einnahmen unter anderem als Background-Sängerin 2020 nahezu komplett weggebrochen sind. Sie machte deutlich, welch große Rolle Kultur auch gesellschaftlich spiele – etwa in der Jugendarbeit. Das zeigte auch Kulturmanager Martin Keil: Der Einbecker führte vor Augen, wie eine lebendige Kulturszene dazu beiträgt, das Stadtbild und das soziokulturelle Miteinander zu gestalten und wie aus kreativer Tätigkeit heraus neue wirtschaftliche Impulse erwachsen. Das Potenzial dieser Cross Innovation – der Kooperation von Kreativschaffenden und Unternehmen – hob auch Moderator Prof. Dr. Kilian Bizer (Universität Göttingen) hervor.
Einig waren sich die ReferentInnen, dass es für Kulturschaffende eine zentrale Koordinierungsstelle brauche. Während Olaf Martin (Landschaftsverband Südniedersachsen) kleine Schritte wie die Vernetzung von Wirtschafts- und Kulturförderung sowie den Aufbau einer Fördermitteldatenbank anmahnte, forderte der Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler (CDU) einen „großen Aufschlag“. Dabei sieht er Bund und Land in der Pflicht. Der Blick über den Tellerrand hinaus, etwa nach Baden-Württemberg, zeige, was eine langfristige und finanziell ausreichend hinterlegte KKW-Strategie bewirken könne. Potenzial sei in Südniedersachsen vorhanden. Diese Auffassung vertrat auch Marcel Riethig. Der Kulturdezernent des Landkreises Göttingen plädierte dafür, nach dem Vorbild des Göttinger Kultur- und Veranstaltungszentrums musa e.V. weitere Gründungs- und Kooperationszentren in den Mittelzentren aufzubauen. Zudem gelte es, die durch die Corona-Pandemie hervorgerufene Beschleunigung im Bereich der technischen Innovationen für die Vernetzung und Darstellung von Kultur zu nutzen.
Die musa selbst war in der Diskussion durch Tine Tiedemann vertreten. Ihr Fazit: Die durch die Pandemie entstandenen Schäden können nur durch intensivere Kooperation repariert werden. Jetzt gehe es aber erst einmal darum, KünstlerInnen eine Perspektive für die Gegenwart und unmittelbare Zukunft zu eröffnen. Dabei gebe es bereits jetzt kreative Möglichkeiten – etwa die SNIC-Crowdfunding-Beratung an der PFH Private Hochschule Göttingen. „Künstler brauchen viele Säulen, um zu überleben und müssen sich immer wieder neu erfinden“, sagte Schauspielerin Julia Hansen. Sie hob die Bedeutung privater und öffentlicher Förderung für Kunst- und Kulturschaffende hervor – betonte jedoch, dass es dabei nicht ausschließlich um wirtschaftliche Verwertbarkeit gehen dürfe: „Kultur macht uns Menschen aus.“
Dr. Tim Schneider, Geschäftsführung der SüdniedersachsenStiftung, zog ein positives Fazit der 2. Südniedersachsenkonferenz: „Mit den vier digitalen Veranstaltungen vom 20. November 2020 bis 28. Januar 2021 haben wir gut 430 TeilnehmerInnen erreicht und zentrale Themen der Regionalstrategie Südniedersachsen 2020-2025 gemeinsam mit regionalen AkteurInnen weiterentwickelt.“ Die Stiftung werde auch künftig verstärkt auf digitale Formate setzen und die Umsetzung der Regionalstrategie mit PartnerInnen aus Südniedersachsen voranbringen.