Blog: ViridisH2 Südniedersachsen

#22 Was zeichnet eine Wasserstoffregion aus?

 

veröffentlicht am 09.04.2021

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Südniedersachsen will Wasserstoffregion werden. Foto: SüdniedersachsenStiftung

Unser Projekt „ViridisH2 Südniedersachsen“ ist eines von 44 WIR!-Bündnissen, die sich in der 2. Bewerbungsrunde eine BMBF-Förderungen erhoffen, um einen durch Innovation(en) getriebenen Wandel in der Region erzeugen zu können. Mit unserem Vorhaben wollen wir Südniedersachsen zur Wasserstoffregion entwickeln. Orientierungen bieten dabei bereits andere Regionen, die schon Erfahrungen sammeln und fortgeschritten sind – auch dank lokaler Starthilfen durch Standortvorteile und vorhandene Expertise. Doch was genau unterscheidet Südniedersachsen von anderen Wasserstoffregionen?

Jahrelange Erfahrungen in der Stahlindustrie mit Wasserstoff

Wasserstoff wird bereits seit Jahren in der Stahlindustrie verwendet, da mit dem Gas eine äußerst heiße Flamme erzeugt werden kann. So verwundert es nicht, dass der Wasserstoffcampus in Salzgitter von der Expertise des Stahlwerkes in der Nähe profitiert und auf den gesammelten Erfahrungen von Bosch und dem Fraunhofer Institut bezüglich von Brennstoffzellentechnologien aufbauen kann. Ziel ist es durch Sektorenkopplung Mobilität und Versorgung in der Region mit grünem Wasserstoff sicherzustellen, die lokale Wirtschaft zu stärken und den klimaneutralen Wirtschaftsstandort von Bosch für Demonstrationsprojekte zu nutzen.

Ähnlich sieht es im Saarland aus, das Wasserstoff als Modellregion in den Bereichen Industrie und Mobilität erprobt. Auch hier kann auf die Erfahrung der Stahlindustrie sowie der mitwirkenden Unternehmen gebaut werden. Beispielsweise sind hier bereits Wasserstofftankstellen in Betrieb und mehrere Brennstoffzellenbusse geordert.

Wegbereiter Chemieindustrie

Regionale Wasserstoffprojekte lassen sich besser durchführen, wenn de Energieträger regional und damit kostengünstiger vorhanden ist. Beispielsweise profitiert „H2R – Wasserstoff Rheinland“ von der ortansässigen Chemieindustrie, bei der Wasserstoff als Abfallprodukt anfällt. Außerdem befindet sich mit „HyCologne“ aus Köln ein Partner im Netzwerk, der seit 2007 an Wasserstofflösungen für die Chemieindustrie arbeitet und Erfahrungen im Betrieb von Brennstoffzellenbusse sammeln konnte. Dementsprechend fokussiert sich das Projekt mit Shell als Partner auf die Anwendung von Wasserstoff entlang der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere im öffenlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie den Ausbau der Tankinfrastruktur.

Auch Ingolstadt profitiert von seiner Lage der Raffinerien und ihrer Überproduktion an Wasserstoff. Das HyExpert-Projekt „IN2H2“ fokussiert sich ebenfalls auf die Anwendung im ÖPNV. Mit der Unterstützung von den Ingolstädter Kommunalbetrieben, der Stadtbus Ingolstadt GmbH, den Stadtwerken Ingolstadt, der Gunvor Raffinerie Ingolstadt GmbH, der Linde AG und der FAUN Umwelttechnik GmbH & Co. KG stehen eine Reihe an erfahrenen Partnern für die Projektumsetzung zur Seite.

Ebenso ist es die Chemieindustrie, die in der Region Emscher-Lippe mit einer lokalen H2-Überproduktion Vorhaben der Städte Bottrop, Gelsenkirchen und Recklinghausen ermöglicht. Durch die hohe Dichte an energieintensiven Industrien wird Wasserstoff in der Region unter anderem in der Metallverarbeitung gebraucht; hier profitiert die Region von einem bereits vorhandenen Versorgungsnetzwerk untereinander. Ziel ist es, bis 2030 weitere Maßnahmen zu ergreifen und Wasserstoff umweltfreundlicher einzusetzen.

Gelebte Sektorenkopplung durch Standortvorteil(e)

Dort, wo Wasserstoff nicht als Nebenprodukt zur Verfügung steht, muss eben selbst Hand angelegt werden. Das HyExpert-Projekt „WUN H2“ der Stadt Wunsiedel fokussiert sich zusammen mit Siemens auf den Aufbau und den Betrieb eines sechs Megawatt-Elektrolyseurs im Fichtelgebirge. Grünen Strom sollen PV-Anlagen und Windräder liefern, um so 900 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren. Abnehmer wie beispielsweise die ansässige Metallverarbeitung scharren bereits mit den Hufen.

Im Norden zeigt die „eFarm“ von GP Joule, wie Sektorenkopplung mit Wind als Schlüsselenergiequelle funktioniert. An fünf Produktionsstandorten wird grüner Wasserstoff hergestellt, der in Niebüll und Husum zum Betanken der eigens angeschafften Brennstoffzellenbusse für den ÖPNV genutzt werden kann.

Auch Bremerhaven profitiert von der Lage an der Küste und dementsprechend über die Kopplung von Windenergie mit Elektrolyseuren. Die Nähe zum Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab) des Fraunhofer IWES ist ein bedeutender Pluspunkt im Betrieb von Windkraftanlagen, da hier die Auswirkung von Lastspitzen auf das Stromnetz erforscht und so noch besser genutzt werden können. Auf dem Flughafen ist zudem genügend Platz zum Aufbau von Elektrolyseuren, dessen Betrieb auch über die Projektlaufzeit durch Abnehmer bereits gesichert ist. Passend zur Lage liegt der Fokus des Projekts sowohl auf der Anwendung im ÖPNV und Logistik als auch in der Herstellung und Erprobung maritimer Kraftstoffe.

Die Sektorenkopplung findet auch im Emsland Anwendung. Unterstützt durch BP Lingen, RWE, Audi, TU Clausthal, Siemens und Uniper wird hier in dem Leuchtturmprojekt „H2-Region Emsland“ entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Einsatz von Wasserstoff erprobt. Neben der Kopplung von Windenergie wird auch Strom aus PV-Anlagen ins Netz eingespeist und zum Betreiben von Elektrolyseuren genutzt. Nicht zu vergessen ist die hohe Dichte an Energieunternehmen in der Region und die dazugehörige Infrastruktur für Gas, die sich eindeutig als Standortvorteil erweisen. Abgenommen wird der so produzierte grüne Wasserstoff in der Mobilität, Industrie und im Energiesektor.

Starthilfe gesucht

Schlussendlich kristallisieren sich vier entscheidende Faktoren für den Erfolg der genannten Regionen heraus. Zum einen bietet der Standort mit einer gut entwickelten chemischen Industrie einen Vorteil, da lokal Wasserstoff bereits meist als „Abfallprodukt“ (mit-)produziert wird. Wo dies nicht der Fall ist, bietet der Zugang zu erneuerbaren Energien wie beispielsweise an der Küste die Möglichkeit, durch Sektorenkopplung die Elektrolyseure mit grünem, lokal produziertem Strom zu betreiben und Wasserstoff herzustellen. Namhafte Unternehmen engagieren sich in einzelnen Projekten lokal oder überregional, helfen bei der Realisierung von Vorhaben und lassen ihre Expertise mit einfließen. Dementsprechend sind insbesondere größere Regionen, die durch die hohe Anzahl von Industrieunternehmen und der Bevölkerungsdichte mit ihren Wasserstoffvorhaben sehr gute Wettbewerbsbedingungen haben.

Diese vier Faktoren finden sich jedoch noch nicht in ausreichendem Maße in Südniedersachsen. Weder verfügen wir zurzeit über überschüssige Windenergie noch profitieren wir von der Nähe zu Forschungs- und Chemieunternehmen, bei denen Wasserstoff als Nebenprodukt anfällt. Es gilt daher noch stärker die angebotenen Fördermöglichkeiten auszuschöpfen und das vorhandene Wissen in der Region zu bündeln, um innovative, den lokalen Bedingungen angepasste Maßnahmen für den ländlichen Raum zu ergreifen. Eine weitere Förderung als WIR!-Bündnis wird Starthilfe über die Bedingungen der anderen Regionen hinweg geben und eine Realisation unserer Vorhaben mit grünem Wasserstoff in der Umsetzungsphase ermöglichen. Denn wie das BMBF schon sagt, ist in einer strukturschwachen Region ein Wandel über die Erschließung von Innovationspotenziale nötig, um langfristig einer Region zu einem neuen Profil zu verhelfen.

Ansprechpartner:

Dr. Benjamin Schulze Projektleiter ViridisH2 Südniedersachsen T. 0551/39-21755 mailen

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