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#52 Krank zur Arbeit? „Geht gar nicht und muss auch gar nicht sein“ (Teil 2)

veröffentlicht am 10.11.2022; Autorin: Susanne Spellerberg

Teil 2 von 2 – hier finden Sie Teil 1

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Betriebliches Gesundheitsmanagement, kurz BGM, ist ein wichtiges Instrument, nicht nur um Fehltage zu minimieren, sondern im erheblichen Maße, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und Arbeitskräfte im Unternehmen zu halten. Warum „krank zur Arbeit“ nicht sein muss und wie Unternehmen von einem strategischen Gesundheitsmanagement profitieren können, lesen Sie in unserem Interview mit Jasmin Bauer, der Verantwortlichen für das betriebliche Gesundheitsmanagement bei TOPAS-Unternehmen Fagus-GreCon Greten in Alfeld/Leine.

Liebe Frau Bauer, auf Ihrer Website steht: „Betriebliches Gesundheitsmanagement hat bei uns einen hohen Stellenwert. Angefangen bei der engen Zusammenarbeit mit unserer Betriebskrankenkasse BKK Technoform und der Möglichkeit den Betriebsarzt auf unserem Firmengelände aufzusuchen, über verschiedene Sport- und Gesundheitsangebote, bis zu den jährlich stattfindenden Gesundheitstagen, tun wir Einiges, um die Gesundheit und Fitness unserer MitarbeiterInnen aktiv zu fördern.“

Ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement bei Fagus-GreCon Greten. Was verstehen Sie darunter? Gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen sind uns besonders wichtig, ganz im Sinne des Firmengründers, der schon vor über hundert Jahren Arbeitsplätze mit einer positiven und gesundheitsfördernden Umgebung geschaffen hatte. Beispielsweise mit lichtdurchfluteten Räumen und guter Frischluftzufuhr. Diese Maxime führen wir heute bei jedem Neubau fort. Aktuell sitzen nicht mehr als vier Personen in einem Büro, vor allem, um Belastungen durch zu hohe Lautstärkepegel entgegenzuwirken. Wir haben über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Sicherheitsstandards, um Arbeitsunfälle gänzlich zu vermeiden. Wir bieten sehr flexible Arbeitszeit-Lösungen. Bei 460 Mitarbeitenden kommen wir auf 40 verschiedene Arbeitszeitmodelle, um individuelle Anforderungen der Mitarbeitenden zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung oder zeitintensive Hobbies. Außerdem gibt es bei Fagus-GreCon Greten kein Schichtsystem, um negative Auswirkungen auf den Organismus zu verhindern.

Das sind super Voraussetzungen, die Sie um Angebote ergänzen, die Mitarbeitende ganz nach persönlichen Vorlieben wahrnehmen können? Ja genau, wir haben viele individuelle Aktionen auf freiwilliger Basis. So gibt es von montags bis donnerstags einen festen Sportkursplan mit verschiedenen Angeboten, wie den Lauftreff, Pilates-, Tao-Yin- oder Yoga-Kurse, die wir Inhouse zum Teil in Kooperation mit einem ortsansässigen Fitness-Studio anbieten. Bei diesem hochwertigen, Anbieter können unsere Mitarbeitenden für einen Eigenanteil von 20 € pro Monat trainieren. Den restlichen Betrag schießen wir als Unternehmen hinzu. Therapeuten aus diesem Studio kommen darüber hinaus regelmäßig für mobile Massagen ins Haus. Über einen Aushang können sich die Mitarbeitenden für eine 20-minütige Rückenmassage anmelden – auch hier beteiligt sich das Unternehmen an den Kosten, sodass die Mitarbeitenden lediglich einen Beitrag von 10 € zuzahlen. Zusätzlich bieten wir wiederkehrend Kurse zur Rückenschule an. An unsere Service-TechnikerInnen haben wir dabei auch gedacht. Sollten sie in Alfeld sein, können sie einen Massage-Termin im Studio buchen. Zudem ermöglichen wir ihnen das Training in der deutschlandweit vertretenen Fitness-Studio-Kette Hansefit zu gleichen Konditionen wie den KollegInnen vor Ort.

Wow, das ist ja ein großartiges Angebot. Wie lässt sich dieses in den Arbeitsalltag integrieren? Wir richten das Angebot so aus, dass es unsere Mitarbeitenden leicht nutzen können – bei uns am Standort zu Zeiten, die viele einrichten könnten. Apropos einrichten – besonders intensiv nutzen unsere Kolleginnen und Kollegen die Gesundheitstage, zu denen viele Anbieter ins Haus kommen oder wir ein besonderes Thema aufgreifen, wie beispielsweise Stressreduktion, Bewegung, Ernährung. Viele KollegInnen richten hier ihre Teilnahme ein – vielleicht auch, weil zwei Stunden der Teilnahme als Arbeitszeit gelten.

Darüber bieten wir immer mal wieder besondere Events an. So haben wir im November einen Ergonomie-Coach im Haus, der dabei unterstützt, die Arbeitsplätze individuell auszurichten. Wir bieten auch hin und wieder Kochkurse an, in denen zum Beispiel einfache Gerichte für den Feierabend gemeinsam zubereitet werden. Sehr erfolgreich konnten wir in Raucher-Entwöhnungs-Kursen dazu beitragen, einige KollegInnen nachhaltig vom Nikotin zu entwöhnen.

Wie eingangs erwähnt liegt uns die Sicherheit unserer Mitarbeitenden sehr am Herzen. So hatten wir in der Corona-Zeit nach einer Alternative für ein Gesundheitsevent gesucht, bei dem nicht viele Menschen zusammenkommen. Wir hatten dann den ADAC-Truck zu Gast, über den die Kolleginnen und Kollegen ihre privaten Autos kostenlos checken lassen konnten. Kleinere Reparaturen wurden dabei von Fagus-GreCon Greten übernommen.

Einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen arbeiten auch häufig im Homeoffice oder sind als Techniker bei Ihren Kunden im Einsatz. Welche Angebote haben Sie für diese Gruppen entwickelt? In Zusammenarbeit mit unserer Krankenkasse haben wir mit der Phileo-App ein Online-Angebot für alle Mitarbeitenden geschaffen, über die die Gesundheitsangebote speziell auf die Bedarfe der Nutzer zugeschnitten sind. Zu Beginn der Nutzung ist dabei ein kurzer Fragebogen auszufüllen und schon geht es los: Achtsamkeit, Stress, Bewegung, Ernährung, Rückenschmerzen – für jede persönliche Problematik ist ein Angebot dabei.

Wir sehen sehr viele Maßnahmen, die nicht zuletzt auch das Miteinander im Unternehmen fördern, richtig? Stimmt. Die oben genannten Maßnahmen haben einen überaus positiven Effekt auf das Teambuilding. Wir fördern das Teambuilding auch spielerisch, beispielsweise über Schritte-Challenge. Darüber können wir zwei Komponenten verbinden: Bewegung und Austausch. Durch die Wettbewerbsbedingungen haben sich Kollegen oder Kolleginnen zusammengetan, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Sie hatten jede Menge Spaß dabei. Die Kurse haben dabei den positiven Effekt, dass sich beim Lauftreff oder auf der Yoga-Matte Kolleginnen oder Kollegen begegnen, die im Arbeitsalltag nichts miteinander zu tun haben bzw. räumlich getrennt arbeiten. Das stärkt den Gemeinschaftssinn ungemein.

Wenn man sich so gut kennt, verstehen Sie Hilfe in Krisenzeiten bestimmt auch als Teil Ihres betrieblichen Gesundheitsmanagements? Unser Ziel ist es, unsere Mitarbeitenden in allen Lebenslagen zu unterstützen bzw. die Arbeitsfähigkeit im Krankheitsfall schnellstmöglich wiederherzustellen. Vor allem bei akuten psychischen Krisen ist schnelle, unbürokratische Hilfe unser oberstes Ziel. Bei diesen zum Glück selten auftretenden Krisen organisieren wir für unsere Mitarbeitenden kurzfristig einen Gesprächstermin mit ausgebildeten TherapeutInnen über eine Kooperation mit einer psychologischen Klinik. Wie Sie vielleicht wissen, hat man in diesem Bereich sehr lange Wartezeiten und die versuchen wir zu minimieren, um schnell Abhilfe zu schaffen. Auch die betriebliche Wiedereingliederung ist uns ein großes Anliegen. Hier prüfen wir über unser Wiedereingliederungs-Management, wie wir Betroffene aktiv unterstützen können, damit die Genesung fortschreitet bzw. die Gesundheit langfristig erhalten bleibt.

Sie setzen sehr viele verschiedene Maßnahmen in ihrem betrieblichen Gesundheitsmanagement ein. Woher nehmen Sie die Ideen? Wir gehen dazu in den Austausch mit unseren Mitarbeitenden. Die Partizipation der Kolleginnen und Kollegen aus allen betrieblichen Bereichen ist enorm wichtig, damit wir die Maßnahmen auf die Bedürfnisse der Belegschaft zuschneiden können. Dazu haben wir ein BGM-Team mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Unternehmensbereichen und dem Betriebsrat gebildet, in dem auch ein Mitarbeiter unserer Betriebskrankenkasse der BKK Technoform ein ständiges Mitglied ist. Das Team trifft sich im 2-Wochen-Rhythmus. Es ist eindeutig im Unternehmen kommuniziert, wer AnsprechpartnerIn für das betriebliche Gesundheitswesen in den einzelnen Unternehmensbereichen ist und wir freuen uns sehr, wenn uns über diese Personen neue Ideen für das BGM erreichen.

Wir arbeiten sehr eng mit unserer Betriebskrankenkasse BKK Technoform zusammen, denn sie hat noch einmal einen ganz anderen Blick auf gesundheitsspezifische Themen. Daher ist ein Mitarbeiter der BKK auch fester Teilnehmer an unseren Jour fixe-Terminen. Er bringt sehr viele Ideen ein, auch aus anderen Unternehmen, sodass wir von Best Practices lernen bzw. diese übernehmen können. Das hat auch dazu geführt, dass wir über die Krankenkasse ein überbetriebliches BGM-Netzwerk mit anderen Unternehmen zum Austausch gründen konnten. Der Austausch ist sehr wertvoll und die Kontakte sind sehr nützlich, wenn man beispielsweise Fragen zur Umsetzung hat. Wir bieten zudem auch regelmäßig Sprechstunden der Krankenkasse auf unserem Betriebsgelände an, sodass unsere Mitarbeitenden schnell und vor allem persönlich mit Ihrer Krankenkasse in Kontakt treten können.

Sie haben Ihre Aktivitäten auf den Prüfstand gestellt. Mit großem Erfolg, denn auf die Auszeichnung mit dem Deutschen Siegel Unternehmensgesundheit in Silber im Jahr 2019 folgte in diesem Jahr die Auszeichnung in Gold. Ein toller Erfolg Ihrer Arbeit. Wie konnten Sie dieses erreichen? Das gelingt im Wesentlichen durch Partizipation aller Mitarbeitenden. Im Jahr 2019 sowie auch in diesem Jahr haben wir eine Unternehmensbefragung im Rahmen der Zertifizierung zum Deutschen Siegel Unternehmensgesundheit durchgeführt. Darin müssen wir als Arbeitgeber verschiedene Anforderungen erfüllen und Nachweise erbringen – von Rahmenbedingen über das Gesundheitsmanagement bis hin zu Führungsgrundsätzen. Darüber hinaus müssen Kennzahlen zu Fluktuation, Krankenquote, Arbeitsunfallquote etc. dokumentiert werden. Der für uns wichtigste Teil der Befragung ist jedoch die Umfrage in der Belegschaft, da wir daraus Schwachstellen aufdecken und neue Maßnahmen für unsere Mitarbeitenden generieren können. So haben wir nach 2019 Verbesserungspotenzial aufdecken können, an dem wir in den Folgejahren intensiv weitergearbeitet haben. Mit großem Erfolg, denn nachdem wir in 2019 das Siegel in Silber erhielten, wurden wir in diesem Jahr zu unserer großen Freude mit dem Siegel in Gold ausgezeichnet. Neu in der Befragung dieses Jahres war die Gefährdungsbeurteilung zur psychischen Belastung. Über diese haben wir eine große Menge an Daten erhalten, die die Meinung der Belegschaft widerspiegelt. Die Ergebnisse konnten wir nach zehn verschiedenen Bereichen auswerten lassen, sodass wir gezielt ermitteln können, welche Handlungsfelder in einzelnen Abteilungen offen sind oder in welchen Abteilungen was besonders großartig läuft, sodass wir ggf. Best Practices in andere Abteilungen übernehmen können. Um strukturiert mit diesen Ergebnissen zu arbeiten, Handlungsfelder abzuleiten und Verbesserungspotenziale aufzudecken, führen wir mit Unterstützung einer externen Moderatorin in jedem einzelnen Bereich Workshops durch. Die Mitarbeitenden sind darin eingeladen die Ergebnisse im Detail anzuschauen und sich im geschützten Raum erläutern zu lassen, was sich hinter dem Ergebnis verbirgt. Bei Interesse können sich alle Kolleginnen und Kollegen mit ihren Ideen im weiteren Optimierungsprozess einbringen.

Partizipation aller KollegInnen ist der Schlüssel zum Erfolg. Wo setzen Sie noch an? Eine weitere Ebene, an der wir ansetzen, ist die Führungsebene. Gesunde Führung nimmt bei den Führungskräften – von der Teamleitung über die mittlere Führungsebene bis hin zur Geschäftsleitung – einen sehr hohen Stellenwert ein. Unser BGM-Team erfährt durch sie eine große Unterstützung für Maßnahmen, die wir entwickeln. Wir sind auch in regelmäßigen Abständen im Führungskräfte-Meeting vertreten, um über unsere Ideen/Maßnahmen oder auch Herausforderungen zu berichten und nehmen dort immer wieder Anregungen und Ideen der Führungskräfte mit.

Alle Führungskräfte durchlaufen für die persönliche Entwicklung zudem jährlich das sog. Führungskräfteentwicklungsprogramm, für das wir externe TrainerInnen mit psychologischem Hintergrund ins Haus holen. Darin verankert ist immer auch ein Modul zu gesunder Führung mit Themen wie Wertschätzung, Stresskompetenz, Transparenz, Kommunikation, Feedback einfordern und annehmen.

Liebe Frau Bauer, vielen Dank für Ihre Einblicke in ein herausragendes Betriebliches Gesundheitsmanagement, herzlichen Glückwunsch auf von unserer Seite für die Auszeichnung mit dem Deutschen Siegel Unternehmensgesundheit in Gold. Wir wünschen Ihnen und Ihren KollegInnen weiterhin viel Spaß und Erfolg an der gemeinsamen Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen.

Ansprechpartnerin:

Susanne Spellerberg
Projektleiterin TOPAS
T. 0551/270713-32
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